SENZA CENSURA N.24
Italy, november '07 - february '08
WENN DER STAUB SICH LEGT
ODER: DER RICHTIGE ZEITPUNKT IST ENTSCHEIDEND
Die Interventionistische Linke zu einigen Aspekten der Anti-G8-Mobilisierung
Auch wenn die Vielfalt sozialer Kämpfe prinzipiell keine bestimmbare Grenze hat,
verdichten sich Revolten und Alternativen stets in besonderen
Auseinandersetzungen. Für die Interventionistische Linke (IL) war die
Beteiligung an den Protesten gegen den G8-Gipfel von Heiligendamm das erste
große und gemeinsame Projekt. Mit allen anderen Spektren der Bewegung haben wir
den Kadern der herrschenden Klasse kräftig in die Propagandasuppe gespuckt. Der
Gipfel von Heiligendamm wird in Deutschland sicherlich der letzte dieser Form
gewesen sein: noch einmal 100 Mio. Euros, nur um über das Wetter zu reden?
Vielen ist heute deutlicher, dass das G8-Projekt welthistorisch nichts mehr
reißen wird, dass der vom Sozialkrempel aus Zeiten der Systemkonkurrenz befreite
Kapitalismus jetzt einfach macht, was er am besten kann: die von ihm
beherrschten Gesellschaften immer wieder ordentlich durchrütteln, Kriege führen
und ganze Kontinente verwüsten - das volle Programm. So hat Heiligendamm seinen
Teil zum wachsenden Hegemoniedefizit der Großen Koalition und ihres
Oppositionspendants beigetragen: fast 50 Prozent der Leute halten sich diffus
für „links", nur noch 10 Prozent meinen, die SPD sorge sich „um Gleichheit in
der Gesellschaft". Das ist erfreulich, auch wenn wir nicht vergessen, dass 80
Prozent schon „mit der Arbeit von Bundespräsident Köhler zufrieden" sind, wenn
der ab und an den eigenen Politikbetrieb anblafft.
Wer mit wem und wie
Im Folgenden reden wir von uns und unseren eigenen Erfahrungen. Wir tun
dies zur Selbstverständigung und weil wir von allen Seiten dazu aufgefordert
werden. Von denen, denen wir nicht „friedlich" genug waren und für die wir „ordnungspolitisch"
versagt haben. Von denen, die uns umgekehrt für „Abwiegler" halten. Von denen
nicht zuletzt, mit denen wir in der zweijährigen Mobilisierung und vor Ort
erfolgreich und solidarisch zusammengearbeitet haben.
Auch wenn andere sich längst gemeldet haben, kommt unsere Einschätzung der
Protesttage nicht zu spät. Tatsächlich sind wir mit unserer Diskussion längst
nicht am Ende, haben damit erst begonnen. Das ist nicht relativierend gemeint,
sondern unterstreicht den fragmentarischen Charakter unserer Äußerungen: die
Anti-G8-Mobilisierung war schließlich der erste Praxistext unseres Projekts
einer interventionistischen Linken. Der für uns entscheidende Maßstab der Kritik
ist die Orientierung auf eine Politik, die von links her auf gesellschaftlich
relevante Interventionen in (die Doppelung ist gewollt) gesellschaftlich
relevante Auseinandersetzungen zielt. Dazu bedarf es einerseits offener und
breiter Bündniskonstellationen und andererseits einer Zuspitzung
gesellschaftlicher Konflikte in antagonistischer Perspektive.
Der Anti-G8-Protest war die seit Jahren die größte Mobilisierung der radikalen
Linken in Deutschland. Gemeinsam mit moderaten Linken und mit GenossInnen und
AktivistInnen aus anderen Ländern haben wir den Gipfel effektiv blockiert und
mit der Demonstration, in den Camps und während der Aktionstage eine rebellische
Welt lebendig werden lassen: Globalisierungskritik wurde Massenpraxis.
Staatstragende Meinungsmache und gezielte Repression wollten das schon im
Vorfeld verhindern. Eingetreten ist das Gegenteil: die bundesweiten
Hausdurchsuchungen nach § 129a („Gründung einer terroristischen Vereinigung zur
Verhinderung des G8-Gipfels") stärkten die kämpferische Ausrichtung der Bewegung.
Dabei blieben die Polizeiübergriffe kein Privileg der Rostocker
Samstagsdemonstration. Trotz des medialen Versuchs, die „Friedfertigkeit" der
Blockaden gegen die Demonstration auszuspielen, kam es zu den meisten
Schwerverletzten nicht am Samstag, sondern am Donnerstag, als die Polizei die
AktivistInnen am Westtor des Sicherheitszaunes mit Knüppeln, CS-Gas und
Wasserwerfern angriff. Hunderte saßen tagelang in den Hundezwingern der
Staatsgewalt, auch nach Rostock kam es zu Hausdurchsuchungen. Nicht zu vergessen
schließlich der tendenziell übergeschnappte Polizeichef, der zur militärischen
Luftaufklärung mal eben Bundeswehr-Tornados über das Camp in Reddelich schickte.
Der 2. Juni
Unbemerkt blieb beinahe, dass die Rostocker Demonstration am 40.
Jahrestag der Erschießung Benno Ohnesorgs statt fand - symbolisches Datum für
den Aufbruch einer emanzipatorischen Linken, materieller Beleg aber für die
Bereitschaft der Polizei, gegen „Staatsfeinde" mit allen Mitteln vorzugehen. Wie
werden wir (und nicht nur wir) den 2. Juni 2007 erinnern, der schon deshalb zum
Erfolg wurde, weil an der Demonstration 80.000 Menschen teilnahmen? Umstritten
sind die als solche längst bekannten Geschehnisse am Stadthafen: ein zerstörtes
Polizeiauto, Steinwürfe, die auch eigene Leute trafen, Bullenangriffe, die
zurückgeschlagen wurden, DemonstrantInnen, die genervt oder verängstigt weg
gingen. Gedeutet wird all' das in einer Vielzahl von Geschichten. Geschichten
von Desorientierung und Übermut, Ohnmacht und Kollektivität, Freude und Angst.
Für die einen sind es die „Krawalle von Rostock", für die anderen der Tag, an
dem die Bullen mal wieder rennen mussten und die Staatsmacht für einen Moment
die Kontrolle verlor. Für die einen hat der „Schwarze Block" die Polizei
angegriffen, für andere die Polizei provozierend angefangen und die passende
Antwort bekommen. Und für wieder andere sind klirrende Schaufester bei einem
solchen „Großereignis" eine notwendige Bildstörung, ob man das nun schätzt oder
nicht. Sichtweisen und Geschichten, die weit auseinander klaffen und sich zu
einem guten Teil auch widersprechen.
Die Diskussion durchzieht und polarisiert auch die IL. Um es zugespitzt und
provozierend zu sagen: Wir sind „Krawallanten" und „Abwiegler" in einem, sind
der Schwarze Block und die Deeskalationscombo. Unsere teils widersprüchlichen
Aussagen und unsere Fehleinschätzungen müssen auch vor diesem Hintergrund
gelesen werden.
Wir waren eine gewichtige Stimme in der Demoleitung und wollten mit dem offenen
Make capitalism history-Block die Vielfalt unseres Zusammenhangs präsentieren,
als gemeinsame Initiative für eine linksradikale, weil antagonistische Strömung
im breiten Bündnis des Anti-G8-Protestes.
Keine Frage, dass wir die gemeinsame Absprache des Vorbereitungskreises trugen
und unterstützten, nach der Auseinandersetzungen auf der Demonstration vermieden
werden und von uns deswegen auch keine Angriffe ausgehen sollten. Die
unmissverständliche Zustimmung zum Bündniskonsens schloss ein, dass wir immer
gesagt haben, im Fall von Angriffen der Polizei auf militante Gegenwehr nicht zu
verzichten. Keine Zusage trafen wir über Kleiderregeln. Obwohl es keinen
Beschluss gab, uns zu vermummen, haben das viele von uns getan: eine Abstimmung
mit den Tüchern, die, das müssen wir auch feststellen, anziehend und ausgrenzend
zugleich wirkte, auch für einige von uns.
Keine Frage nun aber auch, dass sich GenossInnen aus dem Block Make capitalism
history bewusst für Steine entschieden haben. Wir sind nun allerdings nicht der
Generalvertreter aller Linksradikalen, auch wenn das viele im Bündnis meinten.
Das eigentliche Problem am Rostocker 2. Juni bestand für uns dabei nicht darin,
dass es überhaupt Auseinandersetzungen mit der Polizei gab, dass Scheiben
klirrten und Steine flogen. Problematisch war, dass jedenfalls für eine
bestimmte Zeit keiner der Akteure „das Ganze" im Blick behielt: die Reihen
geschlossen zu halten und die Demonstration auch gegen die Staatsgewalt zu Ende
zu bringen. An einer Stelle fand ein nettes Konzert statt und an anderer Stelle
flogen die Fetzen. Statt die Reihen zu schließen, wurde der KAVALA und ihren
Hundertschaften immer wieder die Gelegenheit gegeben, brutal in die Demo
reinzugehen, während sich andere schon zu dieser Zeit mit wohlfeiler
Distanzierung und Verharmlosung der Polizeigewalt in Szene setzten.
Besonders bitter für uns, dass auch einige von uns öffentlich (und andere in
weniger öffentlichen Diskussionen) bruchlos in die Distanzierung einstimmten. Im
Ergebnis fehlte uns in der einen Situation die Wachsamkeit und in der anderen
der kühle Kopf. So ist eine Demo eben erst nach der Abschlusskundgebung zu Ende.
Doch lösten sich, als unser Block am Stadthafen ankam und dem entgegenkommenden
zweiten Zug begegnete, die Demospitze und auch ein Großteil unserer Reihen auf,
obwohl eine polizeiliche Reaktion auf den demolierten Einsatzwagen nicht
ausgeschlossen war. Danach brauchten wir viel zu lange, um unsere kollektive
Handlungsfähigkeit wieder herzustellen und der Verantwortung für unseren Block
und die ganze Demonstration gerecht zu werden. Trotz dieser Selbstkritik bleibt
festzuhalten, dass es uns mit vielen anderen zuletzt gelang, zum Schutz der
Demonstration Ketten um den Versammlungsplatz zu bilden und damit Fortsetzung
und Abschluss von Konzert und Kundgebung zu ermöglichen.
A-A-Anticapitalista!
In den Tagen nach der Großdemonstration setzte sich die vertrauensvolle
Zusammenarbeit der letzten Jahre gegen die Abgrenzungsreflexe durch. Dabei waren
viele Leute auch aus den IL-Gruppen, aus den Reihen der verschiedenen
Bündnispartner und in den Camps zunächst in doppelter Hinsicht verunsichert. Zum
einen über die Grundlage, auf der wir uns über Gemeinsames und Trennendes
verständigen und Absprachen eingehen, um weiter offensiv handeln zu können.
Verunsichert zum anderen über das Verhalten eines Polizeiapparats, der für
massive Gewalt gegen DemonstrantInnen weitgehend öffentliche Rückendeckung zu
haben schien.
Die gemeinsamen Diskussionen waren mitentscheidend, sich nicht entmutigen zu
lassen. Dafür war es notwendig und richtig, nicht nur intern, sondern auch
öffentlich zu sagen, dass wir die Zuspitzung am Samstag in dieser Form nicht
geplant hatten (ein Großteil der Demonstration war noch gar nicht angekommen).
Es ist uns jedoch nicht gelungen, deutlich zu machen, dass wir damit eine
konkrete Situation kritisierten, ohne uns generell von einer Aktionsform oder
gar einem Teil der DemonstrantInnen zu distanzieren. Zwei Beispiele nur. Es war
idiotisch, sich nach dem Samstag öffentlich von „den Autonomen" zu distanzieren,
schon deshalb, weil wir auch die Autonomen sind. Ebenso idiotisch war,
ausgerechnet gegenüber der Springer-Presse kleinbürgerliche Ressentiments zu
bedienen und von „einer wilden Mischung aus Hooligans, Jugendlichen aus der
Gegend und Leuten aus dem Ausland" zu quatschen. Im Sinne der alten Weisheit des
Vorsitzenden Mao, nach der einE jedeR vor der eigenen Haustür kehren und sich
zuerst an die eigene Nase fassen soll, waren wir da offenbar selbst von
Repräsentationsproblemen getrieben.
Im Ergebnis ergab das den scheinbaren Gleichklang eines Distanzierungschors, in
dem Tenöre aus anderen Reihen dann nicht einmal davor zurückschreckten,
GenossInnen („Straftäter") bei Bedarf der Polizei ausliefern zu wollen.
Bezeichnenderweise waren das dann aber dieselben, die in den folgenden Tagen
fassungslos über den Mut und die Entschlossenheit der AktivistInnen staunten.
Tausende blieben oder kamen während der Aktionswoche wieder an die Küste. Keine
Intrigen und Horrorszenarien konnten das gewonnene Selbstvertrauen in Frage
stellen, eine Absage der Blockaden kam gar nicht in Frage. Die Belagerung des
Gipfels wurde zum Riesenerfolg - und zum emanzipatorischen Bildersturm:
Unzählige AktivistInnen ließen die Robocops rechts liegen, besetzten die
Zugangswege vor dem Sperrwall und machten die G8-Show hinterm Zaun für zwei Tage
einfach dicht.
Dass diese kollektive Selbstermächtigung in ihrer politischen Perspektive über
das unmittelbare Ergebnis hinausweisen kann, ahnt der konservative
Klasseninstinkt naturgemäß am besten. „Schlimmes ist geschehen", resümierte der
Leitartikler der FAZ den „Erfolg von Heiligendamm" und machte folgende
Feindmarkierung: „Es geht um Organisationen, die ‚begrenzte Regelverletzungen'
für legitim halten, diese Strategie geradezu zum Programm erhoben haben und
damit in den Rechtsstaat eine Bresche schlagen, die dann diejenigen nutzen,
denen es um entgrenzte Regelverletzung, also um schiere Gewalt, geht. Man sollte
es in Deutschland wissen: auf die ‚Gewalt gegen Sachen' folgt die ‚Gewalt gegen
Personen', das heißt: der politisch motivierte Mord." Richtig daran ist nicht
die zuletzt unterstellte Kausalität als vielmehr der Verweis auf die Bedeutung
massenhafter Grenzüberschreitung: die Sachen wieder gemeinsam in unsere Hände zu
nehmen, in gesellschaftliche Auseinandersetzungen eingreifen, aus gemeinsamen
Erfahrungen Solidarität zu organisieren und gegen Staat und Kapital richten -
eine, zwei, viele Breschen schlagen.
Mobilisierung des Gemeinsamen
Dabei weist die „Choreographie des Widerstandes" noch in einer anderen
Perspektive über den unmittelbaren Erfolg hinaus. Sie zeichnete sich vor allem
anderen nämlich dadurch aus, dass Demonstration, Aktionstage, Alternativgipfel,
Camps und Blockaden ohne die großen Apparate linker Gewerkschaften und Parteien
organisiert wurden, die in anderen Ländern Europas dafür „zuständig" sind. Die
Gewerkschaften waren, sieht man von wenigen linken Funktionären ab, an den
Protesten kaum interessiert, die neue Linkspartei ist jedenfalls aktuell nicht
bewegungsorientiert und attac, der größte Akteur neben der radikalen Linken,
verfügt über weniger Ressourcen als viele meinten. So entsprang das ganze
Geschehen einer Basismobilisierung im besten Sinn des Worts, ohne Sponsoring und
Hauptamtliche, gestützt allein auf die Erfahrung und den Einsatz der
AktivistInnen selbst. Das bewiesen während der Gipfeltage nicht nur die
großartige Camp-AG, sondern im Vorfeld schon die dissent-Infotour und die
internationalen linksradikalen Vernetzungstreffen, die europaweit für die
Protesttage mobilisierten.
Es ging aber auch nicht ohne die Zusammenarbeit aller Teile der Bewegung, die
quer zu scheinbar unüberwindlichen Widersprüchen das gemeinsame Handeln in die
erste Reihe rückte und von der radikalen über die moderate Linke und attac bis
zu einigen NGO's reichte. Das lief nicht ohne harte Kompromisse: Das „Hannoveraner
Treffen" ließ nicht mehr zu als eine technische Koordination ohne gemeinsame
politische Grundsätze und gemeinsame Kasse. Dabei mussten wir uns als
Bewegungslinke eines miesen Klientelismus erwehren, der zugunsten der an der
Mobilisierung gar nicht beteiligten Grünen, die Linkspartei unsichtbar machen
wollte, und das mit dem Taschenspielertrick einer „parteiunabhängigen
Zivilgesellschaft" begründete. Im Vorfeld bereits absurd, war das vor Ort nur
noch abgeschmackt: Haben doch gerade Leute aus der LINKEN wesentlich dazu
beigetragen, das Demobündnis am Samstagabend zusammen zu halten. Dennoch: Aufs
Ganze gesehen funktionierte die Kooperation, stiftete hoffentlich bleibendes
Vertrauen und bestätigte derart auch unsere Kritik an der Selbstgenügsamkeit
einiger linksradikaler Gruppen und Einzelpersonen.
Die kommende Zeit
In der Vorbereitung und vor Ort wurde die IL vielfach als ein etablierter
Akteur behandelt. Dabei wurden inhaltliche und organisatorische Anforderungen an
uns herangetragen, die wir zu diesem Zeitpunkt nur situativ lösen konnten, weil
wir über entsprechende Arbeits- und Entscheidungsstrukturen noch gar nicht
verfügen, uns über solche nicht einmal einig sind. Diese Entwicklung ein- und
nachzuholen, ist die jetzt vor uns liegende Aufgabe.
So setzten wir zwar großspurig auf einen erfolgreichen Sprung der Massen und
sprachen im Aufruf von 100.000 DemonstrantInnen, waren dann aber von den 20.000
Leuten mehr als beeindruckt, die nach dem Sonntag in den Camps blieben.
Beeindruckt waren und sind wir auch davon, dass allein die radikale Linke gut
und gerne 15.000 AktivistInnen mobilisieren kann und so viele junge Leute sich
mit der globalisierungskritischen Bewegung identifizieren. Mit ihnen Orte der
Diskussion und Möglichkeiten gemeinsamen Handelns zu schaffen, ist die größte
politische Herausforderung, die nicht allein der IL, sondern uns allen gestellt
ist. Die Produktion des Gemeinsamen, ihre Netzwerke und Kooperationen und ihre
Autonomie können nur Bestand haben, wenn sie zugleich die kollektive Autonomie
der sozialen Bewegungen und die Intensität der sozialen Kämpfe stärkt.
„63 Prozent der Befragten bezeichnen sich als links, 20 Prozent stufen sich als
linksradikal ein", konstatiert das Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung
der Universität Bielefeld nach der Befragung von 3.576 DemonstrantInnen unter 25
Jahren während der Aktionstage vor Ort. Überrascht hat die Forscher dabei eine
Bereitschaft zu „illegalen Aktionen", zu denen sie unter anderem „Angriffe auf
Firmeneigentum" rechnen.
„Vorsicht bei der Verwahrung von Erfahrungen" sagt Me-Ti in Brechts Großer
Methode und verweist darauf, dass Erkenntnisse Schneebällen gleichen. Sie können
gute Waffen sein, doch kann man sie nicht lange aufbewahren, schon gar nicht in
der Tasche. Der Bruch mit den herrschenden Verhältnissen ist ein
gesellschaftliches Projekt auf lange Sicht und zugleich ein Projekt des
individuell und kollektiv gelebten Augenblicks. Eine radikale Politik kann ihre
Erfahrungen nur ausschöpfen, wenn sie die Einforderungen von Alternativen in
Kampagnen, Bündnissen und Bewegungen mit ihrer praktischen Vorwegnahme und
Erprobung im eigenen Alltag verbindet. In dieser Perspektive sollten radikale
Linke bescheiden sein. Wir stehen noch am Anfang und sind doch längst darüber
hinaus. Entsprechend offen ist unsere Zukunft. Wir machen weiter.
Interventionistische Linke im August 2007
PS: Im September und Oktober laden wir bundesweit zu Veranstaltungen „100 plus X
Tage nach dem G8" ein. Gemeinsam mit den lokalen Netzwerken und Bündnissen
wollen wir diskutieren, was nach Heiligendamm bleibt - und was jetzt auf uns
zukommt.
PPS: Versuchsweise wurde eine Genossin dieser Tage vom VS angeworben. Natürlich
hat sie die Zivilen stehen lassen. Wir erwähnen das, weil die Dienste jetzt
vermehrt versuchen werden, sich einzukaufen: es tut sich was in der Linken, da
will der VS dabei sein.
Zum Schluss ein herzlicher Gruß der Solidarität an die vier verhafteten Genossen,
die der „militanten gruppe" (mg) angehören sollen: praktischer Antimilitarismus
ist prinzipiell eine gute Sache, erst recht in Zeiten deutscher
Bundeswehreinsätze. IL-Zusammenhänge treffen sich am 15.9. auf der bundesweiten
Demo gegen das imperiale „Afghanistan-Mandat" und eine Woche später, am 22.9.,
auf der Demo gegen die Kontroll- und Überwachungsgesetze: „Freiheit statt Angst!"
Beide Demonstrationen finden in Berlin statt.
international@senzacensura.org